Sonntag, 21. Juni 2015

Kennzeichen

„Ich verpflichte mich, das Kennzeichen sorgfältig und pfleglich zu behandeln und bei seinem Aufnähen auf das Kleidungsstück den über das Kennzeichen hinausragenden Stoffrand umzuschlagen.“

Wenn heute von einem Kennzeichen die Rede ist, ist fast immer ein Kfz-Kennzeichen gemeint. In anderen Zusammenhängen spricht man eher von einmal Merkmal oder verwendet man das Fremdwort Symptom.


Im Sinne der Kennzeichnungspflicht für Kraftfahrzeuge ist jedes einzelne Kfz-Kennzeichen ein unverwechselbares. Es soll ja nicht bloß zu verstehen geben "Das ist ein Kraftfahrzeug", sondern "Das ist dieses ganz bestimmte Kraftfahrzeug". Ähnlich wie bei jeder Auslosung ganz bestimmte Lose Gewinnlose sind, stehen bei betreffenden Verkehrspolizeikontrollen Fahrzeuge mit ganz bestimmten Kennzeichen im Parkverbot. Das Kfz-Kennzeichen ist gleichsam eine individuelle Ausweisnummer. Als widerführe gerade hierzulande "der Deutschen liebstem Kind" eine weitere besondere Ehre.

Gänzlich unehrenhaft ist das im Eingangszitat erwähnte Kennzeichen gemeint gewesen: das handtellergroße Stück Stoff mit dem "Judenstern". Die im Herrschaftsgebiet des nationalsozialistischen "Dritten Reichs" lebenden Juden mussten dieses äußere Zeichen ihrer Diskriminierung spätestens ab September 1941 tragen. Erst mit dem gelben Fetzen waren sie kenntlich genug, um an jedem Ort ergriffen und dem Holocaust zugeführt werden zu können: der "Endlösung der Judenfrage" in Auschwitz-Birkenau und anderen Vernichtungslagern.


Ihr Tod war ein "Meister aus Deutschland". Ein so entsetzlicher Tod, dass ich wie viele meiner nachgeborenen Landsleute einem Nietzsche-Wort Nachdruck geben möchte: "Gut deutsch sein heißt sich entdeutschen." Und weiter mit ihm befinden: "Die Wendung zum Undeutschen ist deshalb immer das Kennzeichen der Tüchtigen unseres Volkes gewesen."


QUELLEN

  • Saul Friedländer (1998/2006): Das Dritte Reich und die Juden
  • Paul Celan (1945): Todesfuge
  • Friedrich Nietzsche (1878-80): Menschliches, Allzumenschliches